Befahrungsbericht mit eMountainbike
Dem Stoneman weht ein legendärer Ruf voraus. Die Urroute wurde in Südtirol durch seinen Erfinder Roland Stauder geschaffen. Ich gebe gern zu, dass ich sehr skeptisch war, als mir mein Bikefreund und Transalpbegleiter Dirk Kersken vor einiger Zeit einen Zeitungsausschnitt zeigte, in dem in kurzen, knappen Worten davon berichtet wurde, einen Stoneman im Erzgebirge zu kreieren. Ich dachte, häh, wen interessiert denn so etwas in einem deutschen Mittelgebirge. Das wird wohl eine Luftnummer werden. Doch weit gefehlt. Inzwischen hat sich der Stoneman Miriquidi – wie seine offizielle Bezeichnung ist – voll in der MTB-Szene etabliert. Es ist geradezu ein Leuchtturm in der touristischen MTB-Szene in Sachsen geworden. Woran mag das wohl liegen? Da hilft nur eins, man muss es selber ausprobieren.
Dieses Panorama am Fichtelberg gibt einen guten ersten Eindruck davon, was einen auf der Rundtour erwartet. Es ist die Mischung aus einer durchdachten Streckenführung, tollen Aussichten, lieblichen Landschaften und ausgesuchten Trails in homöopathischen Dosierungen, die die Faszination ausmacht.
Die Strecke weist als Rundtour eine Länge von 162 km auf. Dabei muss man 4.400 Höhenmeter überwinden. Die Strecke wurde im Wesentlichen von Philipp Heinrich ausgetüftelt und führt über neun der höchsten Gipfel des Erzgebirges in Deutschland und Tschechien, immer entlang der kulturellen, geschichtlichen und geografischen Highlights. Wer den Stoneman Miriquidi an einem Tag fährt, wird als offizieller Finisher mit der handgefertigten Stoneman-Trophäe in Gold ausgezeichnet. Für zwei Tage gibt es Silber, für drei Tage Bronze. Man kann sich auch mehr Zeit lassen, der Individualität sind keine Grenzen gesetzt. Gestartet werden kann von jedem beliebigen Ort aus an der Strecke. Perfekt sind die Rahmenbedingungen, die das Team vom Tourismusverband Erzgebirge e.V. organisiert hat. Man kann sein Gepäck für eine Mehrtages-Tour von Hotel zu Hotel transportieren lassen und sich auch kurzfristig entscheiden, wenn man zum Beispiel eine Schönwetterperiode nutzen möchte. Dass es perfekt funktioniert, konnte ich selbst erleben. Dirk und ich haben den Stoneman als 2-Tages-Tour gefahren mit Start in Annaberg-Buchholz und Übernachtung in Johanngeorgenstadt. Das teilt die Strecke nahezu glatt in 2 Teilabschnitte mit ähnlichen Kilometern und Höhenmetern (jeweils ca. 82 km und 2200 Höhenmeter).
Wir sind die Strecke ausdrücklich und bewusst mit modernen eMountainbikes gefahren.
Das hat nichts damit zu tun, dass wir es mit normalen MTB nicht mehr schaffen würden. Es geht um die logistischen Herausforderungen und den speziellen Erlebniswert, der damit verbunden ist. Man kann zum Thema eMTB stehen wie man will: wer es konsequent ablehnt, hat zumeist niemals auf so einem Teil gesessen. Ich habe verschiedene Reportagen zu dem Thema eMTB-Touren geschrieben, wie zum Beispiel über eine Transalp auf meiner für eMTB modifizierten Albrecht-Route, über Touren am Gardasee oder im Salzkammergut. Die wichtigste Erkenntnis war für mich dabei: ein eMTB bringt die Leute über die Generationen und Geschlechter zusammen. Ich kann Touren mit Leuten machen, die 30 Jahre jünger oder 20 Jahre älter sind als ich und ich kann Touren mit Partnern fahren, mit denen das sonst nicht möglich wäre. Immer vorausgesetzt, diese Menschen bringen eine gewisse Grundkondition und Erfahrungen mit dem Handling eines Mountainbikes mit. Denn eins wird nicht funktionieren: sich einfach mal so auf ein eBike setzen und denken, das fährt von alleine.
Die Strecke
Tag 1: Annaberg-Buchholz – Johanngeorgenstadt
Nach dem Start auf dem Marktplatz von Annaberg-Buchholz fahren Dirk und ich in Richtung Pöhlberg, wo wir in die Strecke einsteigen. Bald sind wir aus der Stadt heraus und fahren auf einem schönen Wiesentrail in Richtung Cunersdorf. Dort haben freundliche Anwohner eine Wasserstelle an ihrem Grundstück errichtet – ein netter Beleg dafür, wie der Stoneman auch bei den Einheimischen angenommen wird.
Die erste Stempelstelle erwartet uns auf dem Scheibenberg. Dort hinauf führt ein knackiger Anstieg, gewürzt mit diversen Wurzeltrailpassagen.
Kurz die Aussicht genießen und weiter geht es in Richtung Pumpspeicherwerk Markersbach. Wir passieren das Unterbecken. Es folgt der Anstieg hinauf zum Oberbecken, auf das wir keinen Blick erhaschen. Die Abfahrt erfolgt rasant auf einer Forstautobahn in Richtung Pöhla. Mag sein, dass die Verantwortlichen hier noch einen besseren Wegabschnitt finden und in Verhandlungen mit dem Staatsforst Sachsen durchsetzen können. Bei der Abfahrt vom Scheibenberg wurde ja auch extra ein Singletrail angelegt. Die Strecke ist im Fluss, optimiert werden kann immer, sagt mir Philipp Heinrich am Telefon, als er mich just in dem Moment anruft, als ich diesen Bericht schreibe.
Weiter geht es durch einsames Gelände in Richtung Rittersgrün. An der Hälfte unserer heutigen Etappe hat Familie Bleyl, die dort eine Ferienwohnung anbietet, in ihrem Garten einen Boxen-Stop angelegt. Es gibt Liegestühle, einen Kühlschrank mit kalten Getränken und Snacks und sogar eine Steckdose. Wir nutzen die Gelegenheit und laden unseren Akku etwas nach, man weiß ja nie – getreu dem Motto: von Steckdose zu Steckdose auf dem Stoneman – ach, macht doch Watt ihr Volt! Die Pause tut gut, man sollte ggf. seine Vorräte auffüllen und einen angemessenen Obolus in die Kasse des Vertrauens legen. Die nächste und ziemlich einzige sichere Verpflegungsstelle ist das Trailzentrum am Rabenberg. Dorthin werden wir über einen der vielen Trails geleitet, eine angenehme Abwechslung auf dem Weg.
Am Rabenberg erwischen wir gerade so den Rest des Mittagsbuffets und legen dabei eine etwas ausgiebigere Pause ein. Danach werden wir weiter auf einen der vielen Trails geführt, ehe die lange und einsame Fahrt in Richtung Auersberg beginnt. Das wird trotz eMTB zäh. Leider wird es nichts mit Kaffeetrinken am Berg. Die Gaststätte hat nur sporadisch auf. Schade, es ist ein schöner Aussichtsberg mit Blick auf die Talsperre Sosa in nördlicher Richtung.
Es bleibt einsam und langsam nähern wir uns dem Tagesziel Johanngeorgenstadt. Wir nehmen die Schleife zur tschechischen Grenze noch mit und fahren dann hinauf in die sehr gemütliche Pension Schanzenblick. Unser kleines Handgepäck ist schon da. Bald sitzen wir frisch geduscht im Gastraum und schwatzen mit der freundlichen Wirtin, die uns erzählt, wie viele neue Gäste durch den Stoneman in die Region kommen. Beim Abschlussgetränk geht draußen ein Regenschauer nieder und erfreut uns mit einem schönen Regenbogen. Wir haben alles richtig gemacht und freuen uns auf den nächsten Tag.
Tag 2: Johanngeorgenstadt – Annaberg-Buchholz
Nach dem exzellenten Frühstück brechen wir auf und rollen über die Grenze hinein nach Tschechien. Es ist eine einsame, dünn besiedelte Gegend. Wir treffen kaum auf eine Menschenseele. Nur direkt an der Grenze fährt an uns ein anderer Mountainbiker vorbei.
Unterwegs frage ich mich, warum der GPS-Track einen scheinbar etwas weiteren Schlenker als nötig macht, zumal das mit einem leichten Gegenanstieg verbunden ist. Das Rätsel löst sich bald auf. Wir erreichen die Hochebene bei Abertamy und haben gute Rundumsicht auf viele der Gipfel, die wir im Laufe des Stoneman passieren. Am Wegesrand überrascht uns eine urige Raststelle. Eine Holzhütte ist umringt von vielen Schnitzereien im Großformat. Leider sind wir zu früh dran und es ist noch nicht auf, sonst hätten wir einen Kaffee getrunken.
Am tschechischen Plessberg gibt es wieder eine Stempelstelle. Danach geht es in einen kurzen ruppigen Trail, ehe die einsame Fahrt weiter geht in Richtung Joachimsthal. Das heute tschechische Jachymov hat sich als Kurort herausgeputzt. Laut Wegweiser ist Karlsbad nur 20 km entfernt. Jachymov gilt als die Geburtsstätte des Dollars. Hier wurde die erste Münze geprägt, der Joachimsthaler. Daraus wurde der Thaler, der später nach Amerika übersiedelte und nun Dollar heißt
Immer wieder grüßt der Klínovec (dt. Keilberg) aus der Ferne. Der mit 1244 m höchste Berg des Erzgebirges überragt den gegenüberliegenden Fichtelberg um knapp 30 Meter. Die Auffahrt ist ein grober Wurzeltrail, den wir auch auf dem Rückweg ein Stück befahren. Wir passieren danach Boži Dar und kurze Zeit später die Grenze nach Deutschland. Bald beginnt der Schlussanstieg zum letzten 1000er Gipfel, dem 1215 m hohen Fichtelberg .
Dort geht es gleich wieder in die Abfahrt, die teilweise auf der alten Bobbahn erfolgt. Am Hotel von Jens Weißflog, der als einziger Olympiasieger im Skispringen mit zwei verschiedenen Sprungstilen gewinnen konnte, erreichen wir wieder flacheres Gelände.
Der vorletzte Kontrollposten unserer Fahrt ist auf dem Bärenstein. Auf dem Weg dorthin kann man optional noch die Talsperre Cranzahl umrunden. Wir folgen jedoch dem GPS-Track und erreichen den Berg auf direktem Wege. Am Bergrestaurant ist kein direkter Aussichtspunkt. Die offizielle Strecke soll hier umdrehen und auf demselben Weg wieder den Berg hinuntergehen. Mein Gefühl und ein Blick auf meine GPS-Gerät sagt mir, dass es hier noch eine andere Variante gibt. Wir fahren also zum Aussichtspunkt und werden nicht enttäuscht. Vor uns liegen noch einmal in ganzer Pracht die beiden höchsten Berge unserer Tour, der Klínovec und der Fichtelberg. Unter uns schimmert das Wasserbecken der Talsperre Cranzahl in der Tiefe. Ein Wegweiser macht uns auf einen Pfad aufmerksam, der sich als schöner kleiner Trail entpuppt. Wir sind ja sozusagen privat unterwegs und „dürfen“ uns diesen Pfad erlauben. Im offiziellen Genehmigungsverfahren, so sagt mir Philipp – der Streckenscout – war dieser Wanderpfad bis dato nicht durchsetzbar. Wir fahren also diesen S1-Trail nach unten und treffen auf keinen Wanderer. Und wären uns welche begegnet, hätten wir uns natürlich defensiv und rücksichtsvoll verhalten. Und hätten natürlich gegrüßt, wie es sich in den Bergen gehört. Am Fuße des Bärensteins treffen wir wieder auf die offizielle Route.
Der letzte Abschnitt führt uns hinab ins Tal der Pöhla zur Brettmühle. Oberhalb von Königswalde verläuft die Route nun mit viel Panorama zum letzten Scharfrichter unserer Tour, dem Pöhlberg. Hinauf geht es zum Teil auf der alten Bobbahn und die ist steil. Was bin ich froh, mit einem eMTB unterwegs zu sein und noch genug Saft im Akku zu haben. Wenn mich jetzt einer nach 3 Gründen fragen würde, warum ich jemals wieder ein normales MTB benutzen sollte? Mir würde keiner einfallen. Wir freuen uns über den Stoneman in Silber, den uns Doreen Burgold vom Tourismusverband Erzgebirge e.V. nach unserer 2-tägigen Befahrung am Pöhlberg, dem Hausberg von Annaberg-Buchholz, überreicht.
Wir möchten aber auch allen unseren Respekt und unsere Hochachtung aussprechen, die diesen Stoneman mit einem normalen MTB und ausschließlich mit Muskelkraft bezwungen haben. Hut ab! Diese schöne Strecke verdient es, genutzt und genossen zu werden, egal wie.
Infos
Die Strecke ist sehr gut beschildert, für die einzelnen Abschnitte gibt es jeweils Verantwortliche, die während der Saison nach dem Rechten sehen. Es ist trotzdem hilfreich, einen GPS-Track dabei zu haben, den man auf der offiziellen Website des Stoneman Miriquidi downloaden kann. Die Kontrollstellen befinden sich auf den neun Gipfeln, die man anfahren muss:
- Bärenstein 898 m
- Pöhlberg 832 m
- Scheibenberg 807 m
- Rabenberg 913 m
- Auersberg 1.019 m
- Plešivec 1.028 m
- Blatenský vrch 1.043 m
- Klínovec 1.244 m
- Fichtelberg 1.215 m
Für den Stoneman Miriquidi gibt es verschiedene Buchungspauschalen. Diese werden zentral gesteuert und organisiert über:
Tourismusverband Erzgebirge e.V.
Tel.: +49(0)3733 18800-0
web: www.erzgebirge-tourismus.de
Das funktioniert bestens und auch kurzfristig.
Fazit
Der Stoneman Miriquidi ist eine tolle, stimmige Rundtour im Erzgebirge, die deutlich zeigt, was Mountainbiken auch ausmacht. Eine ausgewogene Streckenführung abseits der Autostraßen, die in die Natur führt und zu lohnenswerten Zielen – seien es schöne Aussichtspunkte, eine gemütliche Einkehr, und die einfach das Gefühl von Ruhe und Einklang mit der Umgebung vermittelt. Das kann, aber muss nicht zwangsläufig nur auf Trails passieren. Bei dieser Strecke liegt der Anteil von Singletrails bei 8%. Das ist sicher nicht viel und manch einer mag das monieren. Da die Strecke aber von Tausenden gefahren wird und es unzählige Wiederholungstäter gibt, zeigt es wohl deutlich, dass man bei der Auswahl der Route genau den richtigen Nerv vieler Mountainbiker getroffen hat. Es wird ja kein einziger gezwungen, diesen Stoneman zu fahren. Eine gute MTB-Strecke nur auf Trails zu reduzieren, wie es die Hochglanz-Bikemagazine suggerieren wollen, entspricht einfach nicht den Gegebenheiten. Man kann geradezu von einer „neurotischen Fixierung“ auf die bildliche und reißerische Darstellung von Trails in diesen Medien sprechen. Die reale Praxis spricht eine ganz andere Sprache. Für eine Vielzahl von Leuten, die sich aufs Mountainbike setzen, ist bei einem Trail im oberen S2-Level nach Singletrail-Skala schon Schluss mit lustig und der Spaßfaktor überhaupt nicht mehr ausgeprägt. Und die freuen sich sehr über eine Route wie den Stoneman Miriquidi im Erzgebirge.
Danke
Dirk Kersken, Doreen Burgold, Lutz Neumeister, Mario Koner, Manne Schmidt